Zukunftsstrategien für Sparkassen: Highlights vom Sparkassen-Zukunftsforum Berlin

Anfang Februar traf sich die Branche zur gleichlautenden Handelsblatt Jahrestagung in Berlin, um Zukunftsperspektiven in Zeiten von Niedrigzins, Digitalisierung und zunehmender Regulierung zu diskutieren. Rainer Lindenau, Gründer von mm1 und Connected Finance-Experte, war vor Ort und berichtet von seinen ganz persönlichen Top 10 aus den Vorträgen und Diskussionen.

1. Niedrige Zinsen belasten zunehmend das Betriebsergebnis der Sparkassen
In 2016 ging das Betriebsergebnis der Sparkassen vor Bewertung um 800 Mio. € bzw. 7 Prozent im Vergleich zu 2015 zurück, so Georg Fahrenschon, der DSGV Präsident. Dieser Trend wird sich laut Fahrenschon in 2017 fortsetzen und die Cost-Income Ratio könnte – von 69 Prozent in 2015 – in den nächsten drei Jahren auf 75 Prozent ansteigen, wenn die Phase niedriger Zinsen noch länger andauert.

2. Hoffnung auf geringeren Regulierungsaufwand für kleine und mittlere Institute
Es ist kein Geheimnis, dass viele kleine und mittlere Institute den aktuellen Regulierungsaufwand zunehmend als erdrückend empfinden. Die Erwartung, dass dieser wieder auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt wird, nährten Dr. Michael Meister, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen, und Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Beide bekräftigten, dass eine ‚Einheitsgröße‘ der Regulierung der differenzierten Bankenlandschaft in Deutschland nicht gerecht wird und dass – unter dem Stichwort der Proportionalität – der operative Aufwand für kleinere Institute deutlich verringert werden soll. Zum Zeitplan, wann die Sparkassen damit rechnen können, gab es leider noch wenig Konkretes.

3. ‚Mobile first‘ auch bei den Sparkassen
Die Anzahl Transaktionen über die Sparkassen-App ist von 2014 bis Anfang 2017 um 163 Prozent angestiegen und die App ist mittlerweile der Kanal mit der größten Anzahl an Transaktionen, so Dr. Joachim Schmalzl, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV. Weiter gestiegen sind auch die Transaktionen in der Internet-Filiale (plus 31 Prozent); einen deutlichen Rückgang gab es dafür an den SB-Terminals (-36 Prozent). Mit ihrem neuen Peer2Peer Zahlverfahren Kwitt in der Sparkassen-App zeigen die Sparkassen, dass sie in einer zunehmend digitalen Welt auch mit Innovationen erfolgreich sein können: Mit über 250.000 registrierten Kunden nach nur zwei Monaten und rund 6.000 Transaktionen pro Tag sind die Sparkassen klarer Marktführer, so Joachim Schmalzl.

4. Wenig Hoffnung auf Zinssteigerungen im ‚New Normal‘
Wenig Hoffnung, dass in den nächsten Jahren die Zinsen wieder nennenswert ansteigen könnten, machte Dr. Johannes-Jörg Riegler, Vorstandsvorsitzender der Bayern LB und Präsident des Verbandes der öffentlichen Banken: Er geht davon aus, dass das Niedrigzinsumfeld die Sparkassen noch mindestens bis ins Jahr 2020 begleiten wird. Dr. Riegler skizzierte die vier Erfolgsfaktoren im ‚New Normal‘ der Niedrigzinsen:

(1) Fokussierung auf Geschäftsfelder, in denen man Kunden Spitzenqualität liefern kann

(2) Vom Kunden her denken: konsequente Digitalisierung kombiniert mit persönlicher Betreuung der Kunden vor Ort

(3) Stabilität durch solide Kapitalausstattung und eine ausgezeichnete Asset Qualität

(4) Effizienz durch strikte Kostendisziplin und den Abbau von Komplexität

5. Mobile Payment nicht nur am Point-of-Sale – Mobile Commerce wird wichtiger
Mobile Payment ist viel mehr, als das Bezahlen mit dem Smartphone am Point-of-Sale – so Christian Rau, Vice President von Mastercard. Denn Mobile Commerce wird immer wichtiger: bei Zalando kamen in Q4 2016 70 Prozent der Besuche über mobile Geräte (‚Mobile first‘). Durch die Einbindung der Kreditkarteninformationen in Banking/Payment-Apps und biometrische Nutzer-Authentifikation wird der Check-out-Vorgang am Smartphone künftig viel einfacher und sicherer werden. Wie sich Mobile Payment in den kommenden Jahren weiter verändern kann, zeigen internationale Beispiele, bei denen eCommerce- und Bezahlfunktionen direkt in Messaging-Dienste eingebaut werden (z.B. Facebook Messenger in USA, WeChat in China).

6. Allianz-Chefvolkswirt macht doch etwas Hoffnung auf wieder steigende Zinsen
Die Zinsen könnten in absehbarer Zeit vielleicht doch wieder etwas steigen – diese Hoffnung macht Prof. Dr. Michael Heise, der Chefvolkswirt der Allianzversicherung, den Sparkassen. Er sagt einen langsamen Anstieg der Zinsen auf ein Prozent bis Ende 2017 und auf knapp zwei Prozent bis Ende 2018 voraus. Außerdem sei aus seiner Sicht die Zeit für die Europäische Zentralbank gekommen, ihr riesiges Kaufprogramm von Staatsanleihen in Höhe von 60-80 Milliarden Euro pro Monat zur Stützung der Konjunktur im Euroraum zu beenden. Dass der EZB-Chefvolkswirt Peter Praet, dieser Aussage in der Podiumsdiskussion zumindest nicht offen widersprochen hat, macht eine Normalisierung zumindest etwas wahrscheinlicher.

7. ‚George‘ – auch Sparkassen können modernes Online-Banking
Innovatives Online-Banking bieten die österreichischen Sparkassen und die Erste Bank mit ‚George‘. Laut Franz Portisch, dem Generalsekretär des österreichischen Sparkassenverbands, haben sich seit dem Start Anfang 2015 knapp eine Million der rund 3,3 Mio. österreichischen Sparkassenkunden bei George angemeldet und 500.000 davon nutzen es intensiv. George ermöglicht ‚cooles‘ und einfaches Online-Banking mit dem bestehenden Sparkassen Girokonto auf Smartphone, Tablet und Laptop/PC – kein Fintech macht es besser. Zwei Beispiele für innovative ‘ Features, die den Umgang mit Geld einfacher machen: Bei Überweisungen merkt sich George alle Empfänger mit Kontodaten – bei der zweiten Überweisung an eine Empfängerin kann man sie einfach aus einer Kontaktliste auswählen. Außerdem führt George ein übersichtliches elektronisches Haushaltsbuch, indem es jede Kontobewegung automatisiert auswertet und in anschauliche Tabellen und Grafiken übersetzt.

8. ‚Erträge rauf und Kosten runter‘ – und nicht alles selber machen
‚Erträge rauf und Kosten runter‘ sind laut Ralf Fleischer, dem Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse München die wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre. Beim Thema ‚Kosten runter‘ geht die Stadtsparkasse neue Wege und verlagert Back-Office Prozesse – inkl. der heutigen Sparkassenmitarbeiter – an spezialisierte Prozessdienstleister. Es geht der Stadtsparkasse dabei nicht nur um deutliche Produktivitätssteigerungen und mittelfristig erheblich geringere Personalkosten – die Stadtsparkasse will sich auf das ‚Kerngeschäft am Kunden‘ fokussieren und ‚Themen anders lösen, die nicht am Kunden sind‘ und die Spezialisten besser und effizienter können.

9. ‚Noch nicht da, wo wir sein wollen‘ – Kundenorientierung noch ausbaufähig
Eine deutliche Steigerung der Kundenorientierung halten sowohl die Volks- und Raiffeisenbanken als auch die Sparkassen für entscheidend im intensiven Wettbewerb mit kostengünstigen Direktbanken und weiteren Filialbanken. Sowohl Gastredner Dr. Reiner Brüggestrat, Sprecher des Vorstandes der Hamburger Volksbank, als auch Ralf Fleischer bestätigten in einer Podiumsdiskussion die Ergebnisse der Teilnehmerumfrage, in der 66 Prozent der Tagungsteilnehmer den Sparkassen eine ‚gute aber noch ausbaufähige Kundenorientierung‘ attestierten. Die Antwortmöglichkeit ‚Kundenorientierung ist hervorragend‘, die von 4 Prozent der Teilnehmer ausgewählt wurde, würden die beiden Vorstandsvorsitzenden ‚heute noch nicht unterschreiben‘.

10. Sahra Wagenknecht mit lobenden Worten für die Sparkassen – aber mit einem sehr kritischen Blick auf die europäischen Finanzmärkte
Zum Schluss der Veranstaltung fand Dr. Sahra Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Linken im Deutschen Bundestag, lobende Worte für die Sparkassen als ‚Diener der Realwirtschaft‘ (‚So soll man es machen‘) und teilte die Sparkassen-Sichtweise zu einer differenzierten Regulierung und zur Einlagensicherung (‚Nicht ein großer Topf, in den alle einzahlen, unabhängig vom Risikoprofil‘). Insgesamt zeichnete sie aber ein sehr kritisches Bild der europäischen Finanzmärkte. Die Rettungsmaßnahmen nach der Finanzkrise hätten dazu geführt, dass die soziale Ungleichheit deutlich angestiegen ist (‚Geringere Renten, höhere Mieten und keine Zinserträge mehr für den kleinen Sparer bei deutlich gestiegenen Vermögen der Superreichen‘) und die Politik mit realen Minus-Zinsen liefe darauf hinaus, das Vermögen der Mittelschicht zu reduzieren. Außerdem sei es in den südeuropäischen Ländern nicht gelungen, die Investitionen in die Realwirtschaft zu steigern (‚Italien hat in den letzten Jahren 25 Prozent seiner industriellen Kapazität verloren – da sieht man gar nichts‘). Diese Entwicklungen sind aus Sicht von Frau Wagenknecht mit dafür verantwortlich, dass sich auch in Europa breite Schichten der Gesellschaft von der Politik nicht mehr angemessen vertreten fühlen und sich von den etablierten Parteien abwenden.    

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